Glauben
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Erfahrungsweg

Wo sind die Frauen in der Frauenkirche?

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Hast du sie schon gefunden, die Frauen?

Ist auch gar nicht so einfach – auch wenn der Name unserer Kirche anders klingt, ist die Frauenkirche eher von Männern geprägt. Wenn du genau hinschaust, dann kannst du in der Kuppel zwischen den vier Evangelisten die vier als Frauen personifizierten Tugenden erkennen: Glaube, Liebe, Hoffnung und…

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Gemälde einer Frau, die einer ausgestreckten Hand eine Münze gibt

Foto: Jörg Schöner

Witzigerweise kommt der Name - eigentlich "Kirche zu unserer lieben Frau" - aus der katholischen Tradition: Maria, die Mutter Gottes, wird in der evangelischen Kirche zwar nicht angebetet, aber doch verehrt. Auch wir in der evangelischen Tradition haben länger Frauen aus kirchlichen Ämtern ausgeschlossen als dass wir sie gleichgestellt haben.

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Weißt du, seit wann Frauen in Sachsen Pfarrerinnen werden dürfen?

Bis heute wird Arbeit, die mehrheitlich von Frauen geleistet wird, schlechter oder gar nicht bezahlt: Hausarbeit, Pflege, Erziehung… In der DDR gab es sogar Gesetze, die die Bezahlung von Ehefrauen im Betrieb des Ehemannes unterbanden. So schrieb uns Frau E. Tiegel 2005:

„Seit 1972 bin ich im Betrieb meines Mannes angestellt. Dafür gab es aber bis zum Ende der DDR keinen Lohn. Ich galt als „Mithelfende Ehefrau“. Mit der Wende bekam ich zum Januar 1990 einen Arbeitsvertrag und somit eigenen Lohn. Von diesem ersten Lohn habe ich mir ein Kleid gekauft und von diesem stammt der beiliegende Stoffstreifen.

Ich denke auch dieser Teil unseres Lebens sollte nicht vergessen werden. Es würde mich freuen, wenn meine kleine Geschichte mit in diese Erinnerungen aufgenommen wird.

Mit freundlichen Grüßen“

Lebenslinien

Dieser Stoffstreifen ist einer von hunderten, die vom Verein „Frauen im Handwerk Dresden e.V.“ anlässlich des Wiederaufbaus zu Teppichen verwebt wurden. Mit dem Projekt „Lebenslinien“ sollte dem neuen Bauwerk der Frauenkirche die Seele der Frauen eingehaucht werden. Heute hängen die Wandteppiche in der Teestube hinter den Emporen. Mit den Stoffstreifen erreichten uns auch zahlreiche Briefe, die die verschiedensten Lebensgeschichten von Frauen in Sachsen und mit der Frauenkirche erzählen. Viel Spaß beim Stöbern!

Christine Schmidt, 2005

„Ich hatte eine Tante, die leider verstorben ist. Elisabeth Calberla, sie hatte einen Calberla geheiratet, eine bekannte Dresdner Familie, es gibt noch eine Calberlastr. in Dresden, aber das ist schon eine andere Geschichte. Sie hatten auf der Eisenstuckstr. In Dresden eine Villa und wurden am 13. Febr. 1945 total ausgebombt. Ihnen blieb nur ein Koffer mit ein paar Habseligkeiten. Unser Onkel ist daran zerbrochen und kurz danach verstorben. In diesem Koffer war unter anderem eine Bettdecke, die sie bis zuletzt als Andenken aufgehoben hat. Nun habe ich diese Decke und auch ich habe sie bis jetzt in Ehren gehalten. Ich habe mich aber entschlossen ein Stück dieser Decke für den Teppich der Frauenkirche abzuschneiden, denn ich denke auch, dass das meine Tante freuen würde und auch verdient hat, denn sie hat uns als Kinder so viel über das alte Dresden vermittelt darunter auch von der Frauenkirche.“

Dagmar Peters, 2005

„Als mir das Projekt „Lebenslinien für die Frauenkirche“ bekannt wurde, musste ich sofort an eine Frau denken, mit der ich einige Jahre Am Weißen Hirsch in Dresden in einem Hause wohnte.
Sie ist leider Mitte der neunziger Jahre verstorben. Für mich war sie ein Vorbild, denn ihr war es gelungen, sich auch durch schwere Zeiten als Unternehmerin zu entwickeln und zu behaupten. Obwohl die Begegnung mit ihr – bezogen auf ein Menschenleben – doch nur kurz war, so hat mich diese liebenswerte, gütige und starke Frau um so mehr beeindruckt.

Frau Margarethe Nollau wurde um 1910 geboren. Der zweite Weltkrieg hatte ihr alles genommen.
Zum Zeitpunkt des Bombenangriffes am 13. Februar 1945 wohnte Frau Nollau in der unmittelbaren Nähe des Dresdner Schlosses.
Ihre Schilderung des in der Nacht zum 14. Februar Erlebten war so eindrucksvoll, das es mir sofort wieder in Erinnerung ist.
Nur mit ihrem geliebten Wellensittich im Vogelbauer verlies Frau Nollau ihre Wohnung. Unter der Augustusbrücke suchte sie Schutz vor dem Inferno. Brennende Trümmer, glühendes Metall, zersplittertes Glas flogen durch die Luft. Ein Soldat hatte sie zum Schutz mit in seinen Lastwagen genommen. Es war furchtbar.
Aber sie hatte überlebt. Die Decke, mit der sie den Vogelbauer eingehüllt hatte, um Ihren Wellensittich vor dem Feuerbrand zu schützen, war voller Glassplitter. Auch das Innere des Käfigs war übersät mit winzigsten Glassplittern. Ihr Vögelchen jedoch lebte.
Dies war für Frau Nollau ein Zeichen. Sie wird es auch schaffen.
Aus dem Nichts heraus baute sie sich eine Existenz auf. Vor allem ihrem unternehmerischen Geschick hatte sie es zu verdanken, dass sie in Dresden einen gut bekannten Kostümverleih aufbauen und führen konnte. Sicher werden sich ältere Dresdner Bürger noch an sie erinnern. Vielleicht gibt es auch noch andere Menschen, die mit Frau Nollau bekannt waren.
Ich möchte jedenfalls mit dieser kleinen Geschichte dazu beitragen, dass wir sie nicht vergessen.

Mein Stückchen Stoff für den Teppich stammt von einem ehemaligen Vorhang. Ich benutze ihn als Unterlage für einen meiner Arbeitstische in meiner Korbmacherwerkstatt. So hat er mir schon gute Dienste dabei geleistet, das Kundenmaterial (z.B. wertvolle Stühle) schonen behandeln und bearbeiten zu können.
Wie Frau Nollau kämpfe ich täglich aufs Neue um meine Existenz. Im Zeitalter großer Arbeitslosigkeit auf der einen sowie mächtiger Kaufhausketten und Warenangebote auf der anderen Seite gehört das Korbmacherhandwerk nicht zu den gewinnbringenden Handwerken. Doch gibt es immer wieder Menschen, die gute Handwerksarbeit zu schätzen wissen.

Hoffen wir, dass wir trotz aller wirtschaftlichen Probleme nie so etwas Schlimmes wie Frau Nollau erleben müssen.“

Annelies Philipp, Steina 2005

„Der Veloursstreifen ist von einem aufgetrennten Nachthemd, das damals selbst genäht wurde aus Restbeständen der Stoffproduktion. Viele Leute der Lausitz waren in der Textilindustrie beschäftigt und bekamen in den 70er und 80er Jahren am Jahresende als Deputat diese Stoffe verbilligt zu kaufen. Daraus wurden dann Hemden, Blusen, Nachtwäsche + Bettwäsche genäht.!

Marlis und Christa Ottmann, 2005

„Wir zwei Schwestern erlebten als 8- und 12-jährige Kinder die ersten 2 Bombenabgriffe (13./14.2.1945) in zwei Luftschutzkellern in Dresden-Blasewitz, Menelssohnallee (früher Deutsche-Kaiser-Allee). Nach dem Ende des zweiten Angriffs brannte unser Haus lichterloh und wir flohen mit unseren Eltern, Onkel und Tante mit 3-monatigem Baby aus dem Haus und marschierten in der Nacht 25 km Richtung Radeberg und wurden von Verwandten in Ohorn (Pulsnitz) anfgenommen.

Der blaue Stoffstreifen stammt aus einem geretteten Luftschutzkoffer und war die Schärpe zu einem schwarzen Samtkleid meiner Mutter.“

Hannelore Delitzscher, 2005

„Jedes Jahr im August feiert meine Heimatstadt Kamenz ihr traditionelles Forstfest. Die Schulkinder ziehen in Festkleidung und Blumenschmuck (Kränze, Füllhörner, Blumenkörbchen, Girlanden, Fahnen und Fähnchen) von der Schule durch die festlich geschmückte Stadt.
Die Wiedervereinigung veränderte auch das Aussehen des Festzuges. Die weiße Kleidung der Mädchen und Jungen, die in der DDR verdrängt durch Pionier- und FDJ-Kleidung, zeigte sich wieder. Dem schlossen sich natürlich auch die Lehrerinnen an. Eigens für die Auszüge kaufte ich mir weiße Kleider. 43 Jahre war ich Lehrerin und viele Jahre im Festzug dabei.

Ein Streifen weißes Kleid soll meine Verbundenheit zu diesem schönen alten Fest zeigen. Mögen sich noch weitere Jahre die Kamenzer und ihre Gäste an den Festzügen erfreuen.“

Gerda Israel, geb. Müller, verstorben am 5.1.2004

„Vielleicht lässt sich auch das Stück Schleier mit in den Teppich einweben. Meine Mutter hat den Schleier über viele Jahre aufgehoben. Nach ihrem Tod im vergangenen Jahr habe ich ihn gefunden. Meine Mutter erlebte als junges Mädchen den Bombenangriff in Dresden-Gruna mit. 1949 heiratete sie meinen Vater und trug diesen Schleier. Sie lebten die ganzen Jahre bis zu ihrem Tod in Dresden. Trotz schwieriger Nachkriegszeit zogen sie 3 Kinder (geb. 1949, 1952, 1954) groß. Leider war es meinen Eltern nicht vergönnt die Fertigstellung der Frauenkirche zu erleben.
Zum Andenken sende ich diesen Brief.“

Heidi Geiten, 2005

"Unser Projekt „Lebenslinien“ läuft geraume Zeit und ich als Mitinitiator u. Verantwortliche hatte bis heute keine Idee – keine Geschichte – keine Stoff – traurig.
Heute nun die Rettung und der Lichtblick – die Arbeitshose meines Sohnes Stefan. Er arbeitet in unserem kleinen Familienbetrieb als Steinbildhauer. Die größte Herausforderung war die Arbeit der Kanzel für die Frauenkirche. Na, wenn das nichts ist. Die Hose, die wochen- ja monatelang bis zur Fertigstellung des Prachtstückes aus Sandstein getragen wurde, mußte „dran glauben“. Seine Reaktion war nicht unbedingt von Begeisterung geprägt, denn „warum die Hose zerschneiden wegen 1 Streifen Stoff, die ist doch noch so gut“.
Als ich ihm von unserem Projekt erzählte und daß auch ein Stück seiner Arbeit, seines Lebens, mit in den Teppich gewebt wird war die Sache perfekt – und ich glücklich und zufrieden.“

Frau S.

„Kriegsende. Es fehlt an allem. Unser Wolfgang besitzt nur ein einziges Hemd das vorzeigbar ist. Darin will er aber den Mädchen Sonnabends gefallen! Ich muß es jede Woche waschen und plätten. Ich muß den Stahlbolzen in der Glut des Küchenofens heiß machen, genau die richtige Temperatur für das seidige Gewebe. Ungezählte Male. In den nächsten 20 Jahren hat er sicherlich viele Hemden zerschlissen. 20 Jahre später fand sich in einem Sack mit Putzlumpen ein Kinderblüschen mit Rüschen als Besatz. Sofort erkannte ich das alte seidige Hemd und verwahrte es bis heute auf. Es soll mit in den Teppich für die Frauenkirche.

Danke!“

Frau N., 2005

„Zwei Tage nach dem Bombenangriff am 13.02.45 bin ich mit 13 Jahren vom Westen der Stadt (Omsewitz) nach dem Osten der Stadt (Rochwitz). Eindrücke, die man nie vergißt, es hat sich geradezu im Gehirn eingraphiert. Verkohlte Menschen, Arme und Beine und natürlich Trümmer, Trümmer. Man kletterte und kraxelte über Steinhalden, es war unbeschreiblich warm und es war ein Geruch, den ich bis heute nicht vergessen habe. Die Wärme kam durch immer noch schwelende Brände. Wer es nicht erlebt hat, kann es sich nicht vorstellen. Gespenstisch ragten stehen gebliebene Schornsteine, ich hatte Angst, sie könnten umfallen. Mein Onkel, der mich begleitete sagt immer nur, bleib ganz dicht hinter mir, er trug sein Fahrrad. Heute, wo ich selbst Kinder, Enkel und Urenkel habe, kann ich ermessen, welche Verantwortung er getragen hat, mich durch das Trümmerfeld zu führen. Unser, - mein Dresden – ist wieder schön geworden, es wird noch schöner werden!
Den Aufbau der Frauenkirche habe ich mit Freude, innerem Stolz und absoluter Hochachtung verfolgt.
Die weihnachtlichen Gottesdienste besuchte ich, soweit es gesundheitlich vertretbar war, mußte ich doch nach den von mir gespendeten Kerzen schauen, für jedes Kind, jedes Enkel und Urenkel leuchtet eine Kerze am Weihnachtsbaum. Es sind nur einige wenige Schaufeln Beton an diesem wieder erstandenem monumentalen Bauwerk. Gerne hätte ich mehr getan, doch eine große Familie braucht die „Aufmerksamkeiten“ der Großmütter.
In dem Kreativstudio, daß ich seit 13 Jahren besuche, wurde der Artikel vom Teppichweben vorgelesen. Meine Gedanken wanderten durch meine noch vorhandenen Stoffreste. Welche haben wohl die Größe daß es auch passt. Zwei große Wäschekörbe Stoffe und Wolle habe ich bereits an eine Behinderten-Werkstatt (Gut Genug) gegeben.
Ich finde es so wunderbar, Teppiche für die Frauenkirche weben zu wollen, da muß man einfach helfen.
Streifen vom Brautnachthemd, Gardinenstreifen ebenfalls ein Hochzeitsgeschenk meiner lieben Eltern. Als sie unansehnlich wurden, habe ich daraus noch Faschingskostüme genäht und Lampenschirme bezogen und das eine oder andere Geschenk damit verpackt oder Schleifen daraus geschnitten.
Die Tischdeckenstreifen sind 70 Jahre alt, es waren Tischdecken für den Gästegarten des Gasthauses Oberrochwitz, das sehr zu Unrecht enteignet wurde. Jetzt erfüllt es, alles mit Erinnerungen behaftet, nocheinmal einen guten Zweck. Nicht zuletzt kaufte ich letzte Woche etwas Stoff und weil es ein Rest war, bekam ich 10 cm geschenkt, auch das soll in den Teppich verwebt werden.

Liebe Frauen, tausend Dank für diese wunderbare Idee und gutes Gelingen und sollte es nicht so werden, wie Sie es sich vorgestellt haben, es ist sicher nicht mit Gold aufzuwiegen, „Denn Schönheit liegt im Auge des Betrachters“

Vor zwei Jahren habe ich mit 72 Jahren klöppeln gelernt, ich habe ein Leben lang Handarbeiten gemacht. Mit viel Mühe und Schweiß habe ich die Frauenkirche geklöppelt.
Ihnen Allen, liebe Frauen, die an dem Werk arbeiten, viel Freude, denn die Freude, die wir geben, strahlt ins eigene Herz zurück.

Ihnen allen ein liebes und herzliches „Gottbefohlen“ und alle Gute für Sie und Ihre Familien“

Frau P., 2005

Meine Geschichte in Gedichtform („Elfchen“)

Festkleid
Freudige Stimmung
Schweben nach Zauberklängen
Tanzen bis zum Umfallen
Erinnerung!“

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