Geschichte
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Erfahrungsweg

Ein Stück polnischer Antifaschismus im Herzen Dresdens

Eine Reise in das letzte Jahrhundert

Als Marian Sobkowiak mit 15 Jahren das erste Mal in Dresden war, wurde er mit 68 weiteren Männern aus seiner Heimatstadt Gostyń zu Lagerhaft verurteilt. 12 Hauptangeklagte, darunter seinen zwei Jahre älteren Cousin Jan Kaźmierzcak, richteten die Nationalsozialisten mit der Guillotine auf dem Münchner Platz hin.

Im Gostyń der 1930-er Jahre lebten zwar schon immer auch deutsche Familien, aber als Deutschland Polen überfiel, dominierte die deutsche Wehrmacht den Alltag. Willkürlich nahmen Soldaten täglich eine bestimmte Zahl von Männern fest, um sie am nächsten Tag wieder freizulassen und gegen neue Gefangene auszutauschen. Sie dienten als Geisel im Falle eines Angriffs gegen die Deutschen.

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Stell dir vor, du bist (nochmal) 15 Jahre alt und deine Stadt wird besetzt - würdest du versuchen normal weiterzuleben (links) oder kämpfen wollen (rechts)?

Jan und Marian in der "Schwarzen Legion"

Die beiden Jugendlichen Marian und Jan wurden Mitglieder der antifaschistischen Widerstandsgruppe „Schwarze Legion“. Die Gruppe fühlte sich eng mit der katholischen Kirche und der polnischen Nation verbunden und schworen ihnen einen Eid. Die Mitglieder beobachteten deutsche Posten, beschafften Munition und Sprengstoff und übten sich im Gebrauch von Waffen. Sie wollten für die Unabhängigkeit Polens kämpfen. Kein ungefährliches Unterfangen – schließlich wurden sie festgenommen. Am Tag seiner Hinrichtung, am 24.Juni 1942, schreibt Jan noch einmal an seine Eltern und gibt einem erstaunlichen Gottvertrauen Ausdruck:

Liebe Eltern!

Gelobt sei Jesus Christus!

Versöhnt Euch mit dem Gotteswillen, denn ich gehe getrost zum Tod in die Ewigkeit mit der Hoffnung, dass Gott uns in das Himmelreich aufnimmt. […] Dort, im Himmelreich, werden wir uns alle wieder sehen. […]

Euer Sohn         Kaźmierczak Jan

Setz dich einmal mit Blick auf den Altar und betrachte die Szene, die dort in Stein gehauen ist. Was siehst du?

In weißem neuen Marmor sieht man Jesus, der am Boden kniet und einen gold-weißen Engel anfleht. Im Hintergrund ist in alten dunklen Altarstücken das Anrücken der römischen Soldaten in Stein gehauen. Die Soldaten wollen Jesus festnehmen.

Foto: Jörg Schöner

Der Altar von Johann Christian Feige

Der Bildhauer Johann Christian Feige wollte in diesem Bild die Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes darstellen und zeigt Jesus betend im Garten Gethsemane. Seine Jünger schlafen, während die römischen Soldaten sich bereits nähern. Zugleich gibt uns der Bildhauer aber auch einen Einblick, wie sehr Jesus zugleich Gott und Mensch war: ein Jude in einem besetzen Land, der gleich festgenommen und hingerichtet werden soll, der sich ängstlich an Gott wendet und um sein Leben betet. Die Auferstehung Christi ist im Altar nicht abgebildet. Wir müssen im Glauben erhoffen, dass das Leben stärker ist als der Tod.

Gab es für Marian eine Auferstehung nach dem Tod?

Marian Sobkowiak lebte sogar durch den Tod hindurch. Drei Jahre lang musste er im KZ Sachsenhausen Schuhe ermordeter Juden und Jüdinnen auftrennen und nach Wertgegenständen durchsuchen, bevor er 1945 auf einen der Todesmärsche geschickt und schließlich in Mecklenburg befreit wurde. Marian fühlte sich zeit seines Lebens schuldig, als einer der wenigen überlebt zu haben. Fast jedes Jahr reiste er in den darauffolgenden Dekaden nach Dresden und setzte sich für das Gedenken an die hingerichteten Widerstandskämpfer ein.

Wir sind sehr stolz darauf, auch bei uns an der Frauenkirche sein Vermächtnis in Stein tragen zu dürfen. Er sammelte in Gostyń 17500€, sodass die Stadt den polnischen Bildhauer Henryk Skudlarski mit der Fertigung einer Flammenvase für die Kuppel der Frauenkirche beauftragte. Die so genannte „Flamme der Versöhnung“ wurde 1999 in Dresden übergeben. Heute ragt die Flammenvase von Gostyń auf dem Treppenturm C neben der Kuppel in die Höhe und trägt die Erinnerung an Marian und Jan über ihren Tod hinaus in unsere Stadt.

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